Montag, 22. Januar 2007

Baltikum mit dem Wohnmobil


Litauen - Lettland - Estland

Juni / Juli 2004

Der folgende Reisebericht konzentriert sich auf praktische Hinweise für Wohnmobilreisende (Strecke, Campingplätze etc.), alles andere enthalten die verschiedenen Reiseführer. Auch subjektive Eindrücke, die von vielen sehr veränderlichen Faktoren abhängig sind (vor allem vom Wetter, und das war bei uns meist sehr bescheiden, daher wurde die Reise kürzer als geplant) wurden möglichst weggelassen. Reisezeit war Ende Juni / Anfang Juli 2004 (Wohnmobil, zwei Personen). Da es schon viele Informationen über Polen gibt, ist dieser Teil der Reise nicht enthalten.

Als Straßenkarte nutzten wir, neben den allgemeinen ADAC-Unterlagen, die Karte „Baltikum" aus dem ADAC-Verlag (1:550.000). Unser Reiseführer war „Baltische Staaten" aus dem Nelles-Verlag, Ausgabe 2004.

Allgemeines

Reisen in die drei baltischen Staaten mit dem Wohnmobil sind für erfahrene Wohnmobilfahrer relativ problemlos. Man sollte allerdings hinsichtlich der sanitären Einrichtungen keine hohen Ansprüche haben.

Papiere: Pass und Kfz-Schein (beides wird an den Grenzen kontrolliert, auch für einen evtl. transportierten Roller), Grüne Versicherungskarte (mit LT bei der Länderauflistung, gibt es nur bei neueren); eine separate Versicherung in Litauen ist nicht mehr erforderlich.

Geld: In allen vier Ländern (einschl. Polen) kann man mit EC-Karte und PIN an Bankautomaten Bargeld abheben (die Gebühren sind allerdings saftig ! Die Postbank z.B. berechnet pro Abhebung 4,50 €); der Umtausch von Euro-Scheinen ist problemlos und bei kleineren Beträgen am billigsten; die Kreditkarte wird an fast allen Tankstellen akzeptiert.

Camping: Die nach unserer Meinung beste Information über Camping in den baltischen Ländern enthält die Homepage von T. und U. Weihermüller (http://www.weihermueller.de/privat). Listen von Campingplätzen finden sich u.a. bei http://www.tourism.lt/ und http://www.gobaltic.de/.

Stecker: In Polen kommt ein Stift aus der Steckdose (wie in Frankreich), man sollte also ein neueres Kabel mit einem dafür vorgesehenen Loch im Stecker haben, ansonsten hilft ein Adapter; die baltischen Länder haben die gleichen Steckdosen wie in D; CEE-Anschlüsse sind in allen vier Ländern unbekannt.

Wasser: Wir haben immer einen Kanister mit Wasser zur Getränkezubereitung bei uns. In allen vier Ländern haben wir meist, aber eben nicht überall, geschmacksneutrales Trinkwasser vorgefunden und den Kanister ständig nachgefüllt.

Tanken: Diesel heißt in Polen ON, in den baltischen Ländern Diesel; bleifreies Benzin gibt es überall (aufpassen an der Säule, es gibt auch noch verbleites).
Sprache: In allen Ländern hilft Englisch oft weiter; ab und zu sind auch ein paar deutsche Brocken vorhanden.


Litauen

25.06.04 - Nördlich von Suwalki erreichen wir die polnisch-litauische Grenze und erinnern uns an einen Reisebericht, der von 90 Minuten Aufenthalt sprach. Die erste Überraschung: Keiner vor uns, auf der rechten Spur ca. 12 Lkw; am Häuschen gestoppt, der Grenzer nimmt die Pässe entgegen, ein Blick hinein und in unsere Gesichter, nach 30 Sekunden rollen wir wieder. Wir denken, das war sicher erst die Ausreise, und die Einreise kommt noch, fahren langsam noch um ein weiteres Gebäude herum, doch das war´s. Dann kommt die zweite Überraschung: Die Straße ist breit und glatt, ohne Spurrillen oder Schlaglöcher. So eine Straße sind wir in ganz Polen nicht gefahren.

In Kalvarija, 13 km hinter der Grenze, verlassen wir die Umgehungsstraße und fahren in die Mitte der kleinen Stadt, wo wir auf Anhieb eine Bank finden. Draußen neben dem Eingang ist ein Geldautomat, an dem man mit EC-Karte und PIN Litas abheben kann (das dicke Ende kommt erst zu Hause: die Postbank berechnet für jede Abhebung 4,50 € Gebühren). Hier sieht man schon überall die typischen kleinen baltischen Holzhäuser.


Dann geht es nach Westen über die 200 nach Vistytis (35 km). Die Straße ist schnurgerade und gut ausgebaut. Zum ersten Mal seit der deutschen Autobahn kommt der Tempomat wieder zum Einsatz (und danach auf rd. zwei Drittel der Straßen erster und zweiter Ordnung im ganzen Baltikum !). Leider sind plötzlich vor Vistytis rd. 8 km eine Schotterpiste. Am See ein Schild, nach links noch 5 km (wieder asphaltiert) zum Hotel und Camping Viktorija. Appartmenthäuser, Blockhäuser, dahinter 15 Stellplätze am See.















Vom Stellplatz aus sehr schöner Blick über den großen See, auf der anderen Seite ist die russische Enklave Kaliningrad. Wir bekommen einen Schlüssel zu einem modernen Anbau, in dem sechs große Kabinen sind, jede mit WC, Dusche und Waschbecken, ein unerwarteter Luxus. Kosten: 34 Litas (9,86 €) pro Nacht für zwei Personen und Wohnmobil.

Leider hat die Sache einen Haken: Es ist Freitag, und nach einem sonnigen Nachmittag fahren ab 19 Uhr einige Pkw voll mit jungen Litauern vor, die in mehreren Gruppen rund um uns und unsere bisher einzigen Nachbarn einige kleine Zelte aufbauen und dann loslegen. In der einen Ecke werden zwei Lautsprecherboxen auf das Autodach gestellt, bei anderen Gruppen muss die Anlage im Auto reichen. Mit zunehmendem Alkoholkonsum steigt die Lautstärke, und vor vier Uhr morgens ist an Schlaf nicht zu denken. Fazit: Ein eigentlich sehr empfehlenswerter Platz, aber bloß nicht am Wochenende.

26.06.04 - Am nächsten Morgen verlassen wir wie unsere Nachbarn fast fluchtartig und mit Bedauern den schönen Platz. Über gut ausgebaute Nebenstrassen fahren wir entlang der russischen Grenze nach Norden. Ab und zu sehen wir, wie noch öfter in den nächsten Tagen, auf einer Wiese neben der Straße einen Bauern seine Kuh mit der Hand melken. Genauso oft sehen wir ganze Familien von der Oma bis zum Enkel mit großen Gabeln das Heu wenden.

In Jubarkas überqueren wir die Memel und nehmen die 141 nach Westen, immer noch entlang der Grenze. Eine solche Straße, teilweise schnurgerade, breit, glatt und leer, haben wir bisher nur als US-Highway erlebt. In Silute biegen wir links ab in Richtung Kintai, da wir nach Vente wollen, die Landspitze am Kurischen Haff gegenüber der Nehrung.

Leider erweist sich die Straße nach wenigen hundert Metern als eine Lehm- und Schotter-Wellblechpiste von 11 km Länge bis kurz vor dem Abzweig nach Kintai bzw. Vente. Da hilft nur eins: trotz Protest der Beifahrerin das Gaspedal durchtreten. Bei 80 km/h schüttelt der Wagen am wenigsten. Zum Glück sind die Kurven nicht eng und es ist kein Verkehr.


Erst später stellen wir fest, dass die anderen Straßen in diesem Gebiet asphaltiert sind. Man sollte also mit wenigen km Umweg erst bei Lapynai links abbiegen (dort weist ein Schild nach Vente); von Norden her biegt man in Priekule rechts nach Vente ab.

In Vente endet die Straße am Leuchtturm, etwa 1 km vorher liegt rechts Hotel und Camping Ventaine. An der Straße (vor dem Hotel) sind die Stellplätze mit Stromanschluss, wir bevorzugen die Reihe neben dem Hotel, zwar ohne Strom, aber mit Blick auf Haff und Kurische Nehrung (und zahlen 40 Litas = 11,60 € gegenüber 60 Litas = 17,40 € mit Strom. Bei 5,80 € für Strom wäre ich sowieso noch umgezogen !). Es ist sonnig, aber vom Meer weht eine steife Brise.


27.06.04 - Wir wollen auf die Kurische Nehrung. Schon vorher haben wir gelesen und bekommen es später bestätigt, dass die siebenminütige Überfahrt von Klaipeda mit dem Wohnmobil 110 Litas (31,90 €) kostet, hinzu kommen nach ein paar Kilometern 100 Litas (29 €) Eintritt in den Nationalpark. Aber es gibt günstige Alternativen, wenn man sich nicht ein paar Tage dort aufhalten will.

Vom Camping Ventaine fährt bei ausreichender Nachfrage ein Boot nach Nida und nach ein paar Stunden wieder zurück. Das Boot kostet 320 Litas (93 €), und es passen bis zu zehn Personen drauf, unter denen die Kosten dann aufgeteilt werden. Heute wären noch zwei Plätze frei, aber erstens ist uns das Boot bei dem starken Wind und entsprechendem Seegang nicht ganz geheuer, und zweitens wollen wir mehr sehen als Nida. Unser Nachbar (mit „La Strada"-Kastenwagen aus MZ), mit dem wir ausführlich alle Möglichkeiten besprechen, begibt sich auf das Boot. Später treffen wir ihn drüben in Nida wieder, und er ist wohl nicht seekrank geworden.


Von Klaipeda fahren zwei Fähren auf die Nehrung, eine Personenfähre an der Altstadt (die auch zehn Pkw mitnehmen kann) und eine größere Autofähre weiter südlich. Möglich ist, das Wohnmobil an der kleinen Fähre in Klaipeda auf einen bewachten Parkplatz zu stellen und die Personenfähre zu benutzen (habe leider den Preis vergessen, kann aber nicht viel sein). Auf der anderen Seite stehen VW-Busse, die für 7,50 Litas (2,18 €) pro Person nach Nida fahren (wohl einfache Fahrt (?), keine weiteren Kosten).

Wir nehmen den Roller vom Heckträger und fahren 48 km nach Klaipeda. Dort sehen wir vor einer Brücke links das Schild Neringa (so heißt der Zusammenschluss der Orte auf der Nehrung), direkt dahinter ist die kleine Fähre auf die Nehrung. Für den Roller und zwei Personen zahlen wir 17,50 Litas (5,08 €) für Hin- und Rückfahrt.

Auf der anderen Seite kommt nach ein paar km eine Schranke, Eintritt in den Nationalpark. Zu unserer freudigen Überraschung werden wir durchgewunken (0 Litas). Danach kommt erst mal eine Enttäuschung. Von der Fähre bis Nida sind es 48 km, und die Straße führt bis auf rd. 1 km in Juodkrante ausschließlich durch Wald, meist Birkenwald. Das Meer sieht man nur, wenn man von einem Parkplatz aus einen längeren Fußmarsch macht.

Am Ende von Nida (2 km weiter ist der Grenzübergang nach Russland) ist die einzige Tankstelle auf der Nehrung, die wir als erstes ansteuern. Ganz in der Nähe sehen wir uns den ebenfalls einzigen Campingplatz an. Dort stehen im Birkenwald rd. 20 deutsche Wohnmobile. Preis: 50 Litas pro Wohnmobil plus 15 Litas pro Person, das macht 80 Litas (23,20 €) pro Nacht. Zum Strand sind es rd. 800 m.

Neben dem Campingplatz führt ein Weg zum Aussichtspunkt auf der höchsten Düne (vom Ort aus gelangt man von der anderen Seite aus über Treppen dorthin). Dort hat man eine tolle Aussicht nach Westen auf die Dünenlandschaft. Wir haben leider in Nida schlechtes Wetter, zum Glück hört es bei unserer Ankunft dort gerade auf zu regnen.




Ausgiebig durchstreifen wir den kleinen Ort. Auch hier viele kleine Holzhäuser. Deutlich spürbar ist die Ausrichtung auf den Tourismus. Am östlichen Ortsrand liegt auf einer Anhöhe das Thomas-Mann-Haus, jetzt ein Museum.





























Als wir am Nachmittag zurückfahren, halten wir an einem kleinen Parkplatz bei Joudkrante. Dort führt eine Treppe zu einem Aussichtspunkt mit Blick auf Europas größte Kormorankolonie.



Da es Sonntag ist, steht vor der Autofähre eine mehrere Kilometer lange Autoschlange. Wir fahren in Richtung „kleiner" Fähre. Auch dort mehrere hundert Meter Stau. Wir fahren mit dem Roller und einem Lächeln vorbei an die Spitze und sind ein paar Minuten später auf der Fähre.

Direkt gegenüber der Anlegestelle in Klaipeda, auf der anderen Seite der Hauptstraße, liegt das Herz der Altstadt mit Theaterplatz und Simon-Dach-Brunnen mit der Ännchen-von-Tharau-Statue (das entdecken wir aber erst, als wir nach einigem Herumkurven den Platz eher zufällig gefunden haben).



Auf dem langen Rückweg halten wir in Kintai (8 km vor Vente) an einer Bäckerei (rechts), die wir schon auf dem Hinweg entdeckt hatten, und decken uns mit frischem Brot, Apfelstreusel und Hefeteilchen ein (zusammen 6,28 Litas = 1,82 €).





In Vente ist kurz vor unserem Campingplatz auf der linken Seite ein interessantes kleines Lokal. Zwei alte deutsche Straßenbahnwagen (noch mit allen deutschen Schildern), einige Bretter drumherum und ein Dach obendrauf. Der eine Wagen ist Küche und Vorratsraum, der andere der Gastraum. Wir essen Schaschlik und Fisch, jeweils mit Pommes frites, trinken zwei Kaffee und zahlen 17 Litas (4,93 €). Unser Nachbar aus Mainz, der die Bootsfahrt gut überstanden hat, ist auch gerade da, und wir tauschen die Tageserlebnisse aus.

Nach insgesamt 220 km mit dem Roller bei kühlem Wind und ohne einen Sonnenstrahl sind wir trotz Lederjacken und Regenanzügen doch etwas ausgekühlt.



28.06.04 - Wegen des schlechten Wetters ändern wir unseren Plan, an der Küste entlang nach Norden durch Lettland zu fahren, und gehen stattdessen auf Nordostkurs ins Landesinnere, wieder auf „Hauptverbindungsstraßen", wie die Karte die gelben im Gegensatz zu den roten „Fernverkehrsstraßen" nennt, fast in Luftlinie nach Siauliai. In Švčkšna (ich wüsste gern, wie man das ausspricht) sehen wir, wie häufiger in Litauen, eine riesige Kirche in einem kleinen Dorf.






Zwischendurch nehmen wir auch mal wieder eine 5 km lange Lehmpiste zur Abkürzung.


Kurz bevor wir südlich von Siauliai auf die A12 stoßen, liegt rechts das Dörfchen Kurtuvenai, wieder mit einer weit sichtbaren Kirche. Die aus dem Internet ausgedruckte Liste der litauischen Tourismus-Information (http://www.tourism.lt/) verzeichnet dort einen von nur elf Campingplätzen, daher wollen wir uns das mal ansehen. Durch das Dorf hindurch bis zur Kirche, dann ist links gegenüber der Kirche unter den Bäumen ein rotes Ziegelhaus, darin ist das Büro der Regionalparkdirektion.

Der Stellplatz ist eine kleine Wiese neben dem Haus (weiter durchfahren, dann Zufahrt von hinten), auch mit Stromanschluss. Im Büro spricht jemand englisch, abends und am Wochenende ist der auf der Rückseite des Hauses wohnende Familienvater zuständig, der etwas Deutsch kann. Da es erst 12 Uhr ist, fahren wir weiter, aber zum Glück (wie wir dann merken) werden wir auf dem Rückweg hier übernachten. Man bekommt einen Schlüssel zu einem Seiteneingang, in der ersten Etage werden vier Zimmer vermietet, dort stehen modernes Bad (Toilette, Dusche, Waschbecken) und Küche auch den Campern zur Verfügung. Preis: 10 Litas pro Wohnmobil, 5 Litas pro Person, macht 20 Litas (5,80 €). Es ist ruhig, und die Umgebung ist einen ausgiebigen Spaziergang wert.


Wir fahren weiter nach Siauliai, ignorieren die Schilder zur Umgehungsstraße und bleiben auf der schnurgerade nach Norden führenden Straße durch die Stadt, was sich auch als völlig problemlos erweist. Kurz hinter Siauliai geht es rechts ab (links ein kleines braunes Schild „Kryziu Kalnas") zum „Berg der Kreuze", ein kleiner Hügel voll mit unzähligen Kreuzen.















Noch ein paar Eindrücke in Litauen: Es gibt, ganz im Gegensatz zu Polen, keine Kleinwagen auf der Straße (auch nicht in Lettland und Estland). Fast ausschließlich sieht man deutsche Mittelklassewagen älterer Baujahre (meist Audi 80 oder 100, VW Passat, BMW 518 etc.). Offenbar wird alles Mögliche gebraucht aus Deutschland bezogen: Mülltonnen mit Aufkleber „mit dem Pfeil zur Straße stellen", Tanksäulen mit deutscher Aufschrift, ältere Lieferwagen und kleine Busse mit deutschen Aufschriften. In Lettland und Estland ist uns dies alles nicht aufgefallen.


Weiter geht es mit den Kapiteln Lettland (Schloss Rundale, Riga, Turaida) und Estland (Tallinn, Ausflug nach Helsinki) auf meiner neuen website "Wolfgangs Wohnmobil-Reiseseiten (Baltikum mit dem Wohnmobil)".



Autor: Wolfgang Müller, Köln